Windhunde machen süchtig

Thema: Ein Galgo allein, dass kann nicht sein 

von Heidi Bomanns 

 

Jackson war schon einige Zeit bei uns und wir waren der Rasse Galgo völlig verfallen. Wir haben uns entschieden, einen weiteren Galgo die Chance auf ein neues Leben zu ermöglichen.


Wir kontaktierten den Verein, baten um Hilfe bei der Suche nach einem passenden Gefährten für Jackson. Schon bald wurde uns ein Video von Jonas später Cooper gesendet. Er würde perfekt zu Jackson passen wurde uns versprochen. Wir verliebten uns sofort in diesen lustigen Kerl. Cooper durfte sich also auf die Reise in sein neues Zuhause machen. Leider informierte uns der Verein nicht über seinen Gesundheitszustand.


Diesmal sollte der Transport pünktlich ankommen. Es ging für uns ein zweites mal nach Essen. Die Aufregung war genauso groß wie bei Jackson. Es liefen auch diesmal wieder Tränen der Freude. An diesem Tag regnete es leider, so das die Übergabe ziemlich zügig gemacht wurde. Auf dem Gelände fiel uns auf, das die Rutenspitze blutete. Vermutlich hatte man beim Verladen die Rute in die Wagentür eingeklemmt. Als wir zu Hause ankamen stellten wir fest, das Cooper nach dem Liegen humpelte. Ein Auge sah auch sehr komisch aus und die Rute machte uns auch Sorgen.

Jetzt hieß es bis Montag warten.


In der Zwischenzeit lernten sich Jackson und Cooper kennen. Das klappte so gut, das wir vermuteten, dass die Beiden sich schon vom Refugio kannten. Dies wurde uns auch später bestätigt. Durch die Gesellschaft von Jackson war es für Cooper deutlich einfacher sich im neuen Leben einzugewöhnen. Coopers Problem waren aber fremde Männer. Wenn Besuch ins Haus kam, geriet Cooper sofort in Panik. Wenn eine männliche Person auf der Terrasse vor dem Eingang stand oder in der Nähe des Eingangs gesessen hat, hat Cooper sich nicht vorbei getraut. Das machte mich sehr traurig. Da wird es einen noch mal richtig bewusst, was diese zarten Seelen erlebt haben müssen.


Zum Glück wurde bei Herrchen eine Ausnahme gemacht! Da gab es keine Probleme.

Montagmorgen mussten wir Cooper leider zum Tierarzt bringen. Die Tierärztin machte uns wenig Hoffnung bezüglich der Rute. Es könnte sogar sein, dass die Rute teilweise amputiert werden müsste. Das kommt leider häufig vor, da eine Heilung an der Rute nicht einfach ist. Das Humpeln am Hinterbein wurde als Arthrose diagnostiziert. Am Vorderbein war ein alter Bruch, der nicht behandelt wurde. Das Bein ist ganz knubbelig (verdickte Stelle). Zum Auge konnte die Ärztin uns wenig sagen, wir wurden zu einem Augenspezialisten geschickt. Beim Augenfacharzt bekamen wir zum Glück die gute Nachricht, dass das Auge kein Problem darstellt. Bei Cooper ist die Nickhaut gerissen, wahrscheinlich bei einem Kampf. Eine Operation wäre nur aus ästhetischen Gründen nötig. Der Augenspezialist bestätigte die Meinung der Tierärztin und machte sich Sorgen um die verletzte Rute.


Jetzt hatten wir erst einmal einiges zu Verarbeiten. Unser Neuankömmling tat mir sehr leid. Direkt am Anfang so viel Aufregung und eindeutig zu viele fremde Menschen. Hätten wir die Infos über die Arthrose und die Nickhaut direkt vom Verein bekommen, hätte sich Cooper diesen Stress am Anfang ersparen können (den Verein gibt es übrigens nicht mehr), dann hätten wir uns nur um die Rute kümmern müssen. Und ja, wir hätten ihn trotzdem adoptiert! Jetzt wurde der arme Kerl von uns erst mal richtig verwöhnt. Die Rute haben wir mehrfach am Tag mit Salbe eingecremt und verbunden. Wir hatten uns Urlaub genommen und ihn somit immer im Auge. Und was soll ich sagen, trotzt der schlechten Prognosen haben wir die Rute retten können!!


Beim Spazieren gehen war Cooper dann das ganze Gegenteil von Jackson. Er wollte das Grundstück nicht verlassen. Es hat immer sehr viel Geduld und Zuspruch erfordert um ihn zum Spazierengehen zu motivieren. Er ist bis heute ein unsicherer Hund. Es hat mich sehr viel Kraft gekostet, aus diesen Beiden ein „Spaziergehteam“ zu machen. Nach ein paar Monaten Training klappte alles prima, na ja, bis auf den Jagdinstinkt. Beide sind große Jäger, ableinen im Gelände ist unmöglich. Man sollte schon standfest sein, wenn man zwei große Galgos (74cm Schulterhöhe) in wildreichen Gebieten ausführt.


Ich habe immer über Fälle gelesen, wo ein frisch angekommener Galgo entlaufen ist. Was hab ich mich über diese unmöglichen Leute aufgeregt, nicht fähig auf einen Hund aufzupassen!

Tja, jetzt muss ich kleinlaut zugeben, mir ist das gleiche passiert. Vor dem Sensor des Garagentors muss sich wohl ein Blatt verfangen haben. Als das Tor automatisch zufuhr, störte dieses Blatt den blöden Sensor und das Tor fuhr wieder ca. 70cm hoch, unbemerkt. Jackson kam nach dem Spaziergang mit ins Haus, aber Cooper fehlte. Erst da bemerkte ich, dass das Tor nicht komplett geschlossen war. Das war einer meiner schlimmsten Momente im Leben. Da noch keine Bindung aufgebaut war, war er zu misstrauisch um zu uns zu kommen. Er hielt sich aber zum Glück im engen Radius vom Haus auf. Glücklicherweise wohnen wir am Ortsausgang und direkt an den Feldern. Wir haben zwei Stunden gebraucht, um Cooper wieder heil nach Hause zu bekommen. Man merkte ihm an, dass er sich draußen überhaupt nicht wohlfühlte, aber uns noch nicht genügend traute, um freiwillig zurück zu kommen. Mein Mann hat ihn mit dem Auto verfolgt und ich bin mit Jackson zu Fuß auf  die Suche gegangen. Zum Schluss sind uns dann zwei Kinder zu Hilfe gekommen, sie schnitten ihm den Weg ab und er landete im Hof eines Landwirts, wo es nicht mehr weiterging. (Seit 5 Jahren kontrolliere ich immer das Garagentor, der Schreck sitzt zu tief).


Als ein paar Wochen vergangen sind, sind wir mit Cooper in die Tierklinik gefahren. Wir wollten eine genaue Untersuchung wegen der Arthrose. Mir tat es immer sehr weh zusehen wie stark er humpelte. Die Muskulatur an diesen Bein war auch sehr schwach. Er wurde geröntgt und die Diagnose bestätigt. Jetzt wurde experimentiert. Physiotherapie, Massage, Akkupunktur, Tabletten und Pülverchen. Es hat seine Zeit gedauert, um für uns das Wirksamste zu finden. Tägliche Spaziergänge haben die Muskulatur wieder aufgebaut, und wir haben „unser“ Pülverchen gefunden.


Cooper ist jetzt 5 Jahre bei uns, er humpelt nur noch ganz selten. Er darf natürlich nicht wie eine "Wildsau" durch den Garten toben, aber er ist heute ja auch viel ruhiger. Wir machen mit ihm ganz locker Wanderungen über 10 km und dabei achten wir natürlich immer auf genügend Pausen.

Cooper ist und bleibt aber immer der kleine Pechvogel, wenn etwas passiert, passiert es Cooper. Allergien, beim Tierarzt vom Tisch fallen (Corona bedingt durfte ich nicht mit ins Behandlungszimmer) zu schnell wachsende Krallen, ständiger Juckreiz, lästige Insekten usw.

Jackson, unser Autist, bleibt immer von allen verschont. So unterschiedlich können die Galgos sein.

Was aber beide gleichermaßen ausmacht ist ihre Treue, die Anhänglichkeit, das sehr sanfte Wesen, ihr Bedürfnis nach Nähe. Mein Bett gehört mir schon lange nicht mehr, hier bin ich nur Gast, und ich genieße es ;-)


Die Anfangszeit ist nicht immer einfach, die Behandlungen auch nicht immer Preiswert, trotzdem würde ich es immer wieder genauso machen. Jeder Galgo ist ein Überraschungspaket, man weiß nie wie sie sich in der Anfangszeit im eigenen Haus entwickeln, man weiß nie ihre genaue Vorgeschichte. Trotzdem zählt der Galgo für mich zu den schönsten und besten Hunderassen, sie passen hervorragend in eine Familie, sie kommen sehr gut in einem Haus oder in einer Wohnung zurecht. Es sind einfach wahnsinnig liebe, gutmütige Wesen. 

Engel ohne Flügel.


Ich habe mein Herz an diese tolle Hunderasse verloren und würde immer wieder einen (oder zwei, drei...) aus dem Tierschutz nehmen. Eine Zukunft ohne Galgos kommt für mich nicht mehr in Frage!